Unsere wichtigste Voraussetzung: Platz für fünf Personen
Doch wie sind wir überhaupt hierher gekommen und wie plant man ein solches Fahrzeug? Um euch in unserem Prozess mitzunehmen, möchten wir hier noch einmal einen Schritt zurück gehen, zu den ersten grundlegenden Planungen unseres 4x4. Wer sich dafür interessiert, warum wir uns letztlich für einen Steyr 12M18 entschieden haben, welche Lastwagen wir noch angeschaut haben und welche Anbieter von Basisfahrzeugen aus welchen Gründen für uns interessant waren, den nehmen wir gerne etwas ausführlicher in unsere Überlegungen mit.
Steigt man in das Thema Expeditionsmobil (Exmo) auf Lkw-Basis ein, wird man schier überwältigt von der Flut an Erfahrungswerten und Berichten anderer Selbstausbauer und Overlander. Da ist es nicht ganz einfach, herauszufiltern, was für einen selbst relevant ist. Recht bald begegnet einem da das Stichwort
Lastenheft, also eine individuelle Auflistung der Eckpunkte, die für den Einzelnen wichtig sind.
Wir taten uns mit dem Lastenheft mangels Erfahrung im Exmo-Bereich anfangs schwer. Schließlich wollten wir einfach ein Fahrzeug, das ALLES kann. Hilfreich war da unter anderem die Selbstausbau-“Bibel“ von
Ulrich Dolde: Wohnmobile selbst ausbauen und optimieren. Nicht gerade ein Highlight, was Design und Aufmachung angeht, liefert es aber einen bisher unerreichten, umfassenden Überblick über Materialien und Hersteller. Und es macht Mut, dass man auch als nicht handwerklich bewanderter Mensch einen einfachen Selbstausbau hinbekommen kann. Die Möglichkeit, eine Wohnkabine nach unseren eigenen Vorstellungen zu gestalten, war also früh denkbar. Doch auf welchem Basisfahrzeug?
Einige Erfahrungsberichte ließen uns daraufhin Iveco, konkret einen Iveco 90-16, in die engere Wahl nehmen. Besonders als ausrangierte Fahrzeuge von Feuerwehr und Katastrophenschutz sind Ivecos derzeit relativ gut verfügbar, was sich natürlich auch im Preis positiv bemerkbar macht. Und da Toralf in der Feuerwehr aktiv ist, hatte die Idee eines Feuerwehr-Fahrzeugs, das nach seiner Dienstzeit eine zweite Chance als Weltreise-Mobil bekommt, einen besonderen Charme. Erfahrungsberichte zeigten, dass gerade die ausgiebig gewarteten Fahrzeuge von der Feuerwehr gute Voraussetzungen boten, beim Aufbereiten des Lkws erst einmal vieles so belassen und damit Geld sparen zu können. Die Low-Budget-Variante, ein Basis-Fahrzeug komplett selber aufzubauen, war uns also sehr sympathisch. Wie freuten wir uns, als ausgerechnet unsere ortseigene Feuerwehr genau in diesem Zeitraum zwar keinen Iveco, aber einen Mercedes 1019 ausmusterte. Die große Doka hätten wir einkürzen oder für eine Zweiraum-Lösung nutzbar machen können. Auch einen privat angebotenen Mercedes Benz 920 in der Schweiz mit kurzer Doka, dessen Besitzer bereits mit der Aufbereitung begonnen hatte, schauten wir uns an.
Parallel stießen wir bei der Recherche zu Iveco-Allradlern auf die Firma
4wheel24 im bayerischen Hasloch. Die Firma des ehemaligen Rallye-Fahrers Tobias Teichmann hat sich auf Um- und Ausbauten von ehemaligen Einsatzfahrzeugen spezialisiert und sich zu einer festen Größe in der Branche gemeistert. Auf der Messe
Adventure Southside in Eigeltingen sprachen wir mit Mitarbeitern von 4wheel24 und waren von der Fachkompetenz und den umfassenden Möglichkeiten beeindruckt.
Unter 7,5 to oder nicht?
Ein Zahn, der in der ersten Version unseres Lastenheftes ganz oben stand, wurde uns aber direkt gezogen: Die Idee eines Lkws unter 7,5 Tonnen. Der Führerschein war dabei kein Argument – wir waren sowieso zu jung, um Fahrzeuge bis zu dieser Gewichtsklasse fahren zu dürfen. Toralf hatte bereits aus beruflichen Gründen einen CE-Führerschein gemacht und ich hatte das noch vor. Aber um Kfz-Steuer und Maut zu sparen, um weniger Einschränkungen in Sachen Brückenüberfahrten und Parkmöglichkeiten zu haben und für mehr Beweglichkeit im Gelände, hatten wir die Gewichtsklasse bis 7,5 Tonnen angestrebt. „Unmöglich. Vergesst das“, war dazu die unmissverständlich Aussage von 4wheel24. Nicht dass wir uns sonst schnell von Vorhaben abbringen lassen, aber die Argumente waren überzeugend: Ein Exmo auf Lkw-Basis unter 7,5 Tonnen setzte einen bedingungslosen Sparsinn voraus, was die Ausstattung anging.
Jedes Teil, jedes Scharnier, jede Schraube, die verbaut wurden, mussten auf absolute Notwendigkeit geprüft und in einer extra-leichten Ausführung gewählt werden. Höhere Kosten natürlich eingeschlossen. In unserem Fall mit dem Ziel, mit fünf Personen auch einmal ein paar Tage autark überbrücken zu können, scheiterte das Vorhaben bereits an den dafür benötigten Wasser-, Sprit- und Lebensmittelreserven, mal abgesehen davon, dass wir natürlich durch ein größeres Fahrerhaus, fünf Sitze, fünf Betten, eine größere Sitzgruppe, fünf Personen und mehr Gepäck schon ein höheres Grundgewicht mitbrachten. Schon so manches Duo hatte sich bei seinem Ausbau wahrlich verkünstelt, immer das leichteste Material gewählt und keine Kosten gescheut, nur um am Ende festzustellen, dass es doch 7,8 Tonnen geworden waren und weder Wasser- noch Sprittanks reisefertig gefüllt waren. Und wir waren nun mal zu fünft.
Wir hakten das Thema zwar nicht ganz ab und wollten weiterhin so leicht wie möglich werden, aber mit diesen Erkenntnissen, die uns auch von anderen Seiten immer wieder bestätigt wurden, konnten wir uns erst einmal auf Faktoren, wie Motorisierung, Geräuschkulisse und Ersatzteilversorgung konzentrieren. Und vor allem: Wer kann uns eine Lkw-Kabine so umbauen, dass fünf Personen darin Platz finden? 4wheel24 hatte ausgerechnet bei unserem Besuch in Hasloch die Antwort schon da stehen: Einen Iveco 120-19 mit einer eingekürzten Doka und vier Sitzen (erweiterbar auf einen fünften). Als Prototyp war das Basis-Fahrzeug mit einigen besonderen Features wie Dachträger, einer Fahrwerkshöherlegung, einer Reifendruckregelanlage, LED-Bars, einer erhöhten Luftansaugung, Separ-Kraftstofffilter, 400 Liter Tank und einigen Stauboxen ausgestattet, war neu lackiert und hatte bereits eine weitreichende Revision durchlaufen. Da das preislich ausgesprochen attraktive Angebot an diesem Tag online gegangen war, war klar, dass wir uns schnell entscheiden mussten, wollten wir die Chance darauf wahren. Alternativ bot uns das Unternehmen natürlich auch an, ein anderes Rohfahrzeug nach unseren Bedürfnissen aufzubauen – dann allerdings mit einer Wartezeit von rund zwei Jahren.
Doch neben 4wheel24 hatte sich in der Frage nach einem familientauglichen Lkw auch
Excap ins Bild geschoben, eine Firma im hessischen Lautertal. Inhaber Stefan Pfeifer hat sich auf Steyr-Lkws spezialisiert, die er vom österreichischen Bundesheer aufkauft. Sein Konzept, die ausrangierten Militärfahrzeuge in zwei Varianten aufzubereiten und auf Wunsch das Fahrerhaus zu verlängern, sagte uns sehr zu. Als gelernter Designer legt er großen Wert auf ein stimmiges Gesamtbild und das sieht man seinen Fahrzeugen an.
Selbst in der einfacheren, für uns überhaupt bezahlbaren Ausbaustufe („Delta“) konnte sich das Paket auch technisch sehen lassen: Der Motor wurde komplett geprüft, Öle gewechselt, Dichtungen getauscht, Teile bei Bedarf ersetzt und das Ganze samt Rahmen rostbehandelt und neu lackiert. Für eine von uns benötigte Verlängerung des Fahrerhauses zur Doppelkabine (Doka) wurde die Rückseite abgetrennt, ein Kasten nach Maß angeschweißt, alles neu lackiert und verkleidet und dann das Interieur, teilweise überarbeitet, teilweise neu, wieder eingesetzt. Viele Extras wie eine zusätzliche Dämmung, der Durchstieg zur Wohnkabine, verstärkte Fahrerhausbügel inklusive 4 Stoßdämpfer, verstärkte Kipphydraulik, verstärkte Fahrerhauslagerung, verstärkte Stoßdämpferaufnahme an der Vorderachse, ein Airbox-Ansaugsystem sowie Leiterelemente für den Dachaufstieg waren hier schon inkludiert. Auf unsere Must-Have-Liste setzten wir außerdem eine Radstandsverlängerung, einen Dachträger sowie ein verstärktes Blattfederpaket für die Hinterachse. Dadurch war zwar der Basispreis um einiges höher als bei 4wheel24, allerdings waren auch einige Elemente dabei, die wir beim Mitbewerber als Optionen hätten extra dazukaufen müssen. Als Wartezeit stellte uns Stefan Pfeifer neun Monate in Aussicht.
Wir hatten also im Großen und Ganzen fünf Möglichkeiten:
- Einen Steyr 12M18 in Rundum-Sorglos-Variante von Excap (in 9 Monaten)
- Einen Iveco 120-19 in Rundum-Sorglos-Variante von 4wheel24 (sofort)
- Einen beliebigen anderen Iveco in Rundum-Sorglos-Variante von 4wheel24 (in 2 Jahren)
- Einen Mercedes-Benz 1019 im Rohzustand
- Einen Mercedes-Benz 920 im Rohzustand
Die Entscheidung
Zunächst verabschiedeten wir uns von der Idee, ein Fahrzeug auch Lastwagen-technisch komplett selber aufzubereiten. Uns fehlte es schlicht an einer Werkstatt, die dafür deutlich größer ausfallen musste, als für den reinen Innenausbau. Und wir hätten uns neben den Themen des Innenausbaus auch noch die Lkw-Technik grundlegend aneignen müssen. Doch wir wollten nicht den Lkw-Ausbau zu unserem Hobby machen und für die nächsten Jahre daran herumbasteln, sondern hatten das Ziel, auch irgendwann einmal damit zu reisen.
Hinzu kamen bei beiden Rohfahrzeugen weitere Nachteile: Den Schweizer Laster hätten wir in die EU importieren müssen, mit für uns unüberschaubaren Kosten für Zoll und Transport. Bei der Immenstaader Feuerwehr war es letztlich der doch relativ schlechte Zustand des Fahrzeugs in Kombination mit der für uns ungünstigen Motorisierung (zu wenig Drehmoment, zu hoher Spritverbrauch), der uns vom Mitbieten abhielt. Auch mit den Möglichkeiten der langen Doka konnten wir uns nicht so richtig anfreunden. Die Zweiraum-Lösung gefiel uns aufgrund der fehlenden Raumhöhe nicht. Hieraus beispielsweise eine Umbau-Kombination mit Doppelbett und Sitzgruppe zu machen, hätte erfordert, dass wir regelmäßig mit Geschirr und Essen durch den engen Durchstieg hätten krabbeln müssen – keine reizvolle Vorstellung. Und für ein Einkürzen hätten wir doch wieder auf Profis zurückgreifen müssen, was den Preisvorteil hätte einschmelzen lassen.
Blieben also die beiden Profi-Varianten. Mit ein entscheidender Faktor waren hier die Probefahrten, die wir bei 4wheel24 und Excap machen durften. Lkw ist eben nicht gleich Lkw. Selbst im Originalzustand entpuppte sich der Steyr als deutlich geräuschärmer im Fahrerhaus als der Iveco und ließ sich auch von uns Anfängern sehr gut fahren, was Kupplung, Schaltung und Wendekreis anging. Auch was das Platzangebot in Bezug auf die Beinfreiheit im Inneren anging, war der Steyr ein „Muggaseggele“ größer. Das sind natürlich unsere rein subjektive Eindrücke, die wir auf Basis zweier Fahrzeuge sammeln konnten – womöglich kommen andere Fahrer zu anderen Ergebnissen.
Was Zuverlässigkeit, Ersatzteilversorgung und Spritverbrauch der beiden Fahrzeuge betrifft, lasen und hörten wir teilweise sehr gegensätzliche Aussagen, so dass wir uns am Ende auf unser Bauchgefühl verließen: Im November 2019 unterschrieben wir den Kaufvertrag für den Steyr von Excap.